Was vor Jules Unfall

in einem Internetforum geschah

1.120 Posts in Jules Blog, das ist beachtlich und weist nicht nur auf Spaß am Schreiben, sondern vor allem auf einen hohes Mitteilungsbedürfnis hin. Wen wundert es da, dass 'Jule' bereits vor 2009 unter diversen Pseudonymen Beiträge veröffentlicht hat - in einem Internetforum? Mit ihrem prägnanten, unverwechselbaren Schreibstil, der so viele Leser:innen über 15 Jahre gefesselt hat? Bestätigt durch einen renommierten Sprachprofiler?
Let's talk about... Foren
Fangen wir ganz unspektakulär mit der Theorie an: Ein Internetforum (von lat. forum, Marktplatz), auch Webforum, Diskussionsforum (bedingt), Computerforum, Online-Forum oder Bulletin Board, ist ein virtueller Platz zum Austausch und zur Archivierung von Gedanken, Meinungen und Erfahrungen. Die Kommunikation in Foren ist asynchron, sprich: Ein Beitrag wird nicht unmittelbar und sofort, sondern zeitversetzt beantwortet.
Foren schaffen Partizipation
Der Mensch an sich ist von Natur aus kommunikativ und an soziale Gruppen gebunden, möchte ausserdem am Geschehen der Welt teilhaben. Erinnern Sie sich noch an eine Zeit vor der Jahrtausendwende, als im Internet Aufbruchstimmung herrschte? Als man über ein Modem ins Netz ging, die Verbindung nach Minuten abgerechnet wurde, Netscape der (einzige) Browser der Wahl war und Facebook, Instagram und Co. noch nicht existierten? Heute kaum noch vorstellbar!
Zu dieser Zeit begannen die ersten Plattformen, User zu vernetzen. Vorläufer des Internet-Forums ist das Usenet, ursprünglich Unix User Network, das in den 1980er Jahren als ein globales, verteiltes Diskussionsforum für reine Textnachrichten entwickelt wurde. Erste Internet-Foren kamen in der Mitte der 90er Jahre auf. Sie beschäftigten sich anfangs hauptsächlich mit Software- und Hardwarefragen, aber schnell entdeckten auch andere Gruppen die Vorteile. Erste Hilfe-Foren zu juristischen und medizinischen Fragen entstanden, gefolgt von Gamer- über Haustierforen bis hin zu Spezialforen für Krankheiten oder Oldtimerrestauration.
Und natürlich gab es auch dieses eine Forum, bei dem sich bis heute alles um Liebe, Sexualität und Erotik dreht: Planet-Liebe.
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Planet-Liebe
1998/99 ging Planet-Liebe online, damals noch unter der Domain drsommerteam.de. Man konnte sich dort über alle Themen rund um Verliebtheit, Verhütung, Sex bis hin zur Schwangerschaft auslassen, aber auch über Trennung, Missbrauch, Fetische oder Geschlechtskrankheiten. Die allermeisten Foren wurden mittlerweile abgeschaltet, aber Planet-Liebe lebt. Und wie!
Kommen wir nun zur Praxis: Zwischen 2005 und 2008 wimmelt es bei Planet-Liebe erstaunlicherweise nur so von Rollstuhlfahrern, Rollstuhlfahrer-Müttern, Rollstuhlfahrer-Liebhabern, Windel-, Pipi- und Pups-Fetischisten, Schwimmlehrern und Übungsgruppenleitern, Basketballern, Triathleten und Schwimmern, jeweils aus Hamburg oder Bayern.
Es geht um junge Mädchen und deren Erfahrungen mit Masturbation, den beliebten Delfin-Vibrator und Schwimmen nachts oder nach dem Reiten in Klamotten, um den 1. Crush, Ärztinnen und engagierte Mütter, aber auch immer wieder um ältere Männer und deren Verhältnis zu jungen, behinderten Frauen. Bei unzähligen Beiträgen klingeln die Ohren, denn sie weisen durch Thematik und Inhalte einen eindeutigen Bezug zu Jules Blog auf – oder ist es etwa umgekehrt? Natürlich könnte das alles nur Zufall sein - wären da nicht immer dieser besondere Schreibstil und Jules Signature-Rechtschreibfehler.
Achtung: Um bei Planet-Liebe vollständig mitlesen zu können, muss man sich registrieren.
📖 Lesenswert
Willkommen im Erdgeschoss: Wie ich mich mit 17 im Rollstuhl wiederfand
Amelie Ebner
[Anzeige*] Amelie ist 17 Jahre alt und eine begeisterte Sportlerin: Sie reitet, tanzt und spielt Fußball. Während eines Ski-Ausflugs mit Freunden verunglückt sie schwer. Als sie im Schnee liegt, weiß sie schon, dass sie nie wieder gehen wird. Querschnittslähmung ab dem sechsten Halswirbel. In acht Monaten Krankenhaus und Reha-Zentrum muss Amelie feststellen, dass der Ski-Unfall Veränderungen in ihrem Leben mit sich bringt, die weit über das Sitzen im Rollstuhl hinausgehen.
Immer noch ich. Nur anders: Mein Leben für den Radsport
Kristina Vogel
[Anzeige*] Der Radsport ist für Kristina Vogel seit ihrer frühen Kindheit ein essenzieller Bestandteil ihres Lebens. Ihre Leidenschaft für den Sport ging so weit, dass sie sich nach einem schweren Verkehrsunfall im Alter von 18 Jahren mit eisernem Willen und hartem Training wieder aufrappelte. Anschließend gewann sie mehrfach Bahnradsport-Meisterschaften und wurde in den Jahren 2012 und 2016 sogar Olympiasiegerin.
Die Puppet Show
Im Beitrag Seltsame Träume wurden bereits einige Alter Egos auf Planet-Liebe kurz vorgestellt:
Allen voran Proto-Jule Dunsti, die querschnittgelähmte Ärztin im Rollstuhl. CAY, die mit ihrem zündelnden Psycho-Bruder überfordert ist. Übungsleiter Schlurfrakete, der Missbrauchsvorwürfen ausgesetzt ist und auf 'unten ohne' abfährt. Und schließlich Kiko, die von ihrem Wichswichtel-Bruder belästigt wird.
Aber das war noch lange nicht alles: Herzlich willkommen zum Deep Dive - wir starten durch in anderen Kosmos, denn wir begehen schließlich den 2. Jahrestag des Jule-Reveals!
Pipikackapups
Sie nennen sich Strulli, Schnurzel oder Goldene Banane und begründen vor fast zwei Jahrzehnten den Inkontinenz-Fetisch, der auch im Jule-Blog immer wieder durchkommt. Es geht in Dauerschleife um Menschen mit Behinderung, Erwachsenenwindeln, Stecklaken und Zellstoffunterlagen, den Wunsch, angepinkelt zu werden und immer wieder um kleine - durchaus auch beabsichtigte - Malheure in Schwimmbädern oder dem Meer.
Den stets empörten Gegenpart übernimmt in diesen Pipi-Diskussionen der ziemlich einfach gestrickte Oberschlumpf und hält die Themen so am Laufen. Er steigt Ende 2006 verzweifelt mit einem großen Problem ein: Er hat sich in eine Mitschülerin verknallt, traut sich nicht, ihr das zu sagen und klaut ihr stattdessen heimlich den Badeanzug aus der Sporttasche. Dunsti tröstet ihn und empfiehlt, den Badeanzug in einen großen Umschlag zu packen und einen Brief dazu zu schreiben, ohne zu erwähnen, dass er ihn angehabt oder reingewichst hat. (Jule hat 2010 ein Déja-Vu: Mitschüler, Badeanzugklau, alles schon mal dagewesen und wiederholt sich fast ein Jahrzehnt später abermals bei Helena.)
Oberschlumpf denkt danach erstmal über eine inkontinente Partnerin nach und wird von Dunsti über Blasen- und Darmentleerung sowie Windeln aufgeklärt. Das Thema Sportler, die sich beim Wettkampf einpinkeln/einkacken, beschäftigt ihn als nächstes und auch hier sorgt Dunsti für Aufklärung. 2007 verlässt er Planet-Liebe.
Gangwolf hat ein ausgefallenes Hobby und trifft sich über ein Internetforum mit Gleichgesinnten im Schwimmbad, um zu spekulieren, wer von den Badenden unauffällig ins Wasser pinkelt. Er wird schließlich nach 11 Jahren Ehe von Frau und Kindern verlassen, weil er sich per Email mit einigen Leuten darüber ausgetauscht hat. Das belastet ihn an sich wenig, doch woher eine neue Frau nehmen, die mit seinem Faible klar kommt?
Das fragt sich auch Dupdidu, der unbedingt von seiner Partnerin angepinkelt werden will und überlegt, ob er eine Selbsthilfegruppe für Inkontinente aufsuchen oder gezielt mit Krankenschwestern, Leuten mit Blasenproblemen oder im Sanitätshaus, eventuell auch Arzthelferinnen anbändeln soll. Über eine kleine Lüge, die er nicht näher ausführt, kommt er schließlich zu einer neuen Freundin: 17 Jahre alt und durch Behinderung inkontinent. Dupdidu ist begeistert, stellt aber leider fest, dass der Sex trotz Pipi-Spielen für ihn nicht befriedigend ist. Tjanun.
Klaus-Dieter erfreut sich am Gedanken von Wettpupsen in der Badewanne, stellt 60 Fragen zu einem Tag am Strand (Luftmatratze oder Schwimmring? Oben ohne oder unten nackt? Beim Pinkeln die Hose zur Seite ziehen oder so laufenlassen?), eröffnet weitere Threads zu Schwimmen im See, Baden gehen im Sommer und Mal müssen im Alltag. Er ist nicht besonders aktiv, bekommt aber Verstärkung durch einen Namensvetter.
Klaus-Bärbel bringt das Prä-Jule-Game 2007 auf ein neues Level und geht einfach nacheinander alle Jule-Motive durch. Er steigt ein mit der Frage, was man so macht, wenn man sich bei einer Grillparty lachend versehentlich einnässt. 6 Jahre später beantwortet Jule Stinkesocke dies in ihrem Blog. Sie verliert bei einer Grillparty an der Ostsee die Kontrolle über ihre Blase, woraufhin eine ganze Jugendgruppe kreischend aufspringt und das ganz eklig findet. Jule weint und ist furchtbar peinlich berührt. Nach einer Belehrung durch ihre Betreuer kehren die Jugendlichen reumütig zurück und entschuldigen sich.
Aber zurück zu Klaus-Bärbel, der noch einige weitere Anliegen bei Planet-Liebe hat. Hattest Du schon mal Probleme mit einem Stalker? fragt er. Hast Du eine Behinderung? Schränkt sie Dich im Bezug auf Liebe, Sex und Partnerschaft ein? Hast Du schon mal in einem Rollstuhl gesessen? Er startet eine Badewannen-Umfrage (Wenn Du furzen musst, machst Du das im Wasser, stehst Du dafür auf oder steigst Du dazu aus der Wanne und gehst aufs Klo? Was sagt Dein Badepartner dazu?), gefolgt von einer ähnlichen Dusch-Umfrage.
Die Themen Wasser und Pupsen scheint ihn sehr zu bewegen: Würdest Du mit Deinem Partner in Klamotten duschen und dann Sex haben? will er wissen. Ist es Dir peinlich wenn Du pupst? Was macht ihr so alles im Schlaf? Hast Du schon mal im Schlaf gepupst und dabei gekackt? Warum trauen sich Leute nicht zuzugeben, dass sie ins Meer pinkeln? Hast Du schon mal mit Badebekleidung geschlafen? Verleihst Du Deine Badesachen und was machst Du, wenn derjenige reinpinkelt? Besitzt Du einen eigenen Neopren-Anzug?
Dunsti gibt Klaus-Bärbel den Tipp, beim Pinkeln ins Meer doch einen Neoprenanzug zu tragen, der die entstehende Wärme gut isoliert. Sie hat auch noch eine passende Studie zum Thema Wasserpinkelei von einer (realen) Ärztin aus Hamburg zur Hand und versichert ihm, dass sie ganz entspannt reagieren würde, wenn er in von ihr geliehene Badesachen pinkelt.
Man wünscht sich wirklich, Klaus-Bärbel hätte seine Schwester im Geiste, Jule Stinkesocke, bei Planet-Liebe kennengelernt. Sie hätte ihm sicher bei all seinen Fragen weiterhelfen können. Aber unglücklicherweise verlässt er das Forum im Oktober 2008 – Jule taucht dort erst zwei Monate später an Weihnachten als Userin Stinkesocke auf. Knapp verpasst. Aber immerhin kennt er die Proto-Jule.
Proto-Jule
Man merkt schon an dieser Stelle: Ohne die omnipräsente Dunsti lief von 2006 bis November 2008 bei Planet-Liebe einfach mal nichts. Sie ist in so ziemlich jedem der erwähnten Threads zu finden und gibt immer ausführlich ihre Expertise ab.
Dunsti ist die Stütze des Forums, etwa 30 Jahre alt, hatte als Kind einen Schwimm-Unfall, bei dem sie mit dem Heli abtransportiert wurde und sitzt seitdem im Rollstuhl. Zu einem späteren Zeitpunkt berichtet Dunsti, dass sie nach dem Unfall den Kontakt zu ihren Eltern abgebrochen hat und ihr Vater daran zerbrochen ist. Genau wie Jule wird sie von diesem einmal geohrfeigt.
Sie kommt aus der Nähe von Augsburg, musste 2 Jahre EDV-Kauffrau lernen und hat dann 6 Jahre in Hamburg Medizin studiert, arbeitet nun aber wieder in Augsburg. Sie hat ihr Studium abgeschlossen, die Approbation, eine einigermaßen feste Stelle im Krankenhaus - aber noch keine Facharztausbildung. Pädiatrie würde sie sehr interessieren. Sporadisch ist sie noch in Hamburg unterwegs, z.B. um mit Freunden auf die Reeperbahn zu gehen.
Dunsti scheint trotz ihres Berufs genug Zeit zu haben, um sich rund um die Uhr bei Planet-Liebe einzubringen. Sie steigt mit der Geschichte über ihren Partner ein, der einen Fetisch für Badebekleidung, Spandex und Badewannen hat, was immerhin einen Fortschritt zu ihrem vorherigen Partner darstellt, der auf Pinkelspiele stand. Sie selbst mag Sex im Schwimmbad.
Zudem ist sie Trainerin für Rollstuhlbasketball, betreibt Paratriathlon und findet auch noch die Zeit, eine Kindersportgruppe und eine Jugendgruppe in einem Verein zu leiten, ist ausserdem Jugendwart - und wir gehen davon aus, dass dieser Verein in Augsburg ist, da sie dort als Ärztin so busy ist, dass sich das schlecht mit einer anderen Location vereinbaren lässt.
Augsburg oder Hamburg?
Dunsti hat großen Ärger in ihrem Verein: Der 1. Vorsitzende vermasselt ein Sponsoring und sie ist stinksauer auf ihn. Sie beschreibt die genaue Vereinsstruktur: Der 2. Vorsitzende ist "ein Araber, der kaum Deutsch kann, weil das nach dem gesundheitsbedingten Ausscheiden des ehemaligen 2. Vorsitzenden vor 3 Jahren keiner machen wollte und bereits das Amtsgericht drängte". Dann ist da noch der Kassierer, der alles genauso sieht wie sie. Der Kassierer wurde erst "vor einem halben Jahr in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung ausgetauscht, nachdem der vorherige, der das über 10 Jahre gemacht hatte, den Unterschied zwischen Soll und Haben nicht kannte".
Wirft man nun einen Blick in das Vereinsregister des Vorläufers von Jules späterem Verein in Hamburg, stellt man erstaunt fest: Im Vorstand fand sich zu diesem Zeitpunkt, also 2007, genau diesselbe Konstellation mit einem "Araber" und dem ausgetauschtem Kassierer. Der Kassierer hat auch noch einen Namen, der Jule-Doku-Guckern bekannt vorkommen dürfte. Das ist jetzt aber überraschend. Dunsti im selben Verein wie später Jule? Oder gibt es noch einen 2. Verein in Schwaben, der diese Struktur aufweist?
Dunsti und Jule
Dunsti schreibt auffällig viel über Autos, Autofahrten und Probleme mit Behindertenparkplätzen. Anfang 2008 hat sie einen Autounfall, der dem von Jule im Jahr 2011 ähnelt - in beiden Fällen ist der Rollstuhl im Kofferraum kaputt. 2006 hat Dunsti wie auch später Jule eine größere Summe erstrittenes Schmerzensgeld bekommen und investiert diese wie auch Jule 2018 in eine Immobilie, die wegen ihrer Barrierefreiheit wie Blei in den Regalen der Makler liegt und deswegen für einen Appel und ein Ei zu bekommen ist. Wer kennt es nicht.
Dunsti bekommt von ihrem Verehrer, den sie bei Planet-Liebe kennen- und im Real Life nach einem Treffen im McDonalds Augsburg auch liebengelernt hat, ruckzuck ein Schlafzimmer eingebaut, Jule von einer Freundin, die eine Ausbildung zur Tischlerin macht. Beide schlafen unter einer abgehängten Zimmerdecke mit verschiedenen Varianten von Sternenhimmel, haben zusätzliche Leichtbauwände, in die man etwas abstellen kann und raffinierte Beleuchtungskonzepte.
Der Verehrer
Der handwerklich begabte Verehrer von Dunsti war offensichtlich schon 1 Jahr zuvor als Gast in diesem Forum unterwegs und hieß damals Muh-Q. 2005 kam Muh-Q noch aus Hamburg und nicht aus Bayern oder Schwaben, aber solche Umzüge kommen ja vor. Er wollte nach 7 Jahren seine Freundin verlassen, weil er sich – als Fußgänger – unsterblich in eine äußerst sportliche Rollstuhlfahrerin (Meisterschaften bis auf Paralympics-Ebene) verliebt hatte. Er besucht sie zuhause und – Überraschung: Sie hat exakt dasselbe Schlafzimmer wie das, dass er später Dunsti einbauen wird. Sie liefert ihm außerdem einige Fakten über sich, die er sich durch den Kopf gehen lassen soll und diese könnten genau so, Satz für Satz, von Jule kommen, wenn diese nicht erst 3 Jahre später ihren Unfall gehabt hätte.
Die Angebetete klärt ihn auf über ihre Gehbehinderung (unfallbedingt eine nicht ganz vollständige Durchtrennung eines Nervenstrangs im Rückenmark), ihre Blasenkontrolle (Blase füllt sich ganz normal bis zu einem gewissen Pegel, dann hat sie rund 5 Minuten Zeit, aufs Klo zu kommen, unterwegs trägt sie Pampers), die Darmkontrolle (alle 48 Stunden mit einer Genauigkeit von rund 15 Minuten muss sie aufs Klo) und natürlich die Blasen- und Darmkontrolle beim Sex. Genau wie unsere Jule.
Leider wurde dieser Plot von Muh-Q nicht weiter verfolgt, aber aufgrund des identischen Schlafzimmers und der Trennung von der Freundin nach 7 Jahren vermuten wir, dass er sich ein Jahr später als Dein Verehrer in die nächste Rollstuhlfahrerin verliebt: Dunsti. Immerhin ist er schon bestens informiert, was auf ihn zukommt.
Zweifel an der Ärztin im Rollstuhl
Geradezu bauernschlau, wie sich Dunsti gleich am Anfang ihrer Forenkarriere mit einem angeblichen Treffen im Real Life und einer nachfolgenden Beziehung selbst verifiziert, auch wenn man von ihrem Verehrer nach wenigen Monaten nichts mehr hörte.
Im Oktober 2008 wird ihre Glaubwürdigkeit allerdings aus heiterem Himmel in Frage gestellt. Auslöser ist angeblich eine Sportberichtserstattung über ihre Teilnahme an einem internationalen Wettkampf in der örtlichen Tageszeitung, überwiegend Landkreisausgabe. Diese sorgt laut Dunsti in einem 2., nicht genannten Forum, für Wirbel, da die "Informationen zum Teil schon über 10 Jahre alt und damit völlig überholt sind. So hat man beispielsweise bei ihrem Beruf nicht "Ärztin" angegeben, sondern uralte Aufnahmeanträge von irgendwelchen Verbänden herausgekramt."
Daraufhin wurde die integre Dunsti "von mehreren Leuten, zu denen sie bisher einen recht guten und intensiven Online-Kontakt hatte, angemailt, sie seien geschockt, sie möge bitte erklären, warum sie nicht ehrlich wäre, es bleibe ein bitterer Nachgeschmack, sie sei eine Lügnerin, ob sie das nötig hätte, ob das auch zu ihrer Behinderung gehört." Also wirklich!
Andere würden umgehend bei ihrer Anwältin sitzen und wegen Rufmord eine Abmahnung nach der anderen rausschicken. Nicht so Dunsti: Sie macht einfach Mimimi bei Planet-Liebe, denn sie kann "sich in so einem Forum nur dann wohlfühlen, wenn ein gewisses gegenseitiges Vertrauen herrscht (sofern man das anonym eben überhaupt beanspruchen kann). Da sie nun ständig damit leben muss, dass Leute sie als Lügnerin sehen und entsprechend das auch so kommunizieren, kann sie sich in der betreffenden Internetplattform eigentlich nur verabschieden."
Alternative? Sie könnte "den betreffenden Personen beweisen, dass sienicht gelogen habe. Zum Beispiel, indem sie ihnen eine Kopie ihrer Approbationsurkunde zuschickt, ihnen die Daten ihres Arbeitgebers gibt und die Erlaubnis, dort anzurufen und sich zu erkundigen - oder vergleichbares." Tja. Könnte man, ne? Aber "aufgrund ihrer persönlichen Einstellung scheidet dieser Wahrheitsbeweis jedoch aus".
Der Beitrag ist etwas wirr – hat Dunsti tatsächlich noch genug Zeit, ein anderes Forum zu bespielen? Haben ihre Tage 48 Stunden? Und warum finden anonyme Foren-User einen Zeitungsartikel in einer unbedeutenden Lokalpresse und bringen ihnen mit der ebenfalls anonymen Dunsti in Verbindung? Man kann natürlich eins herauslesen: Es wurde, von wem auch immer, angezweifelt, dass sie Ärztin ist. History repeated, kann man da bei einem Blick ins Jahr 2023 nur sagen.
Clever gedacht ist auch dieser Beitrag allemal: Es gibt in einer Dorfpostille einen Zeitungsartikel über mich als Sportlerin, also existiere ich. Trotzdem verlässt Dunsti ihren Spielplatz Planet-Liebe am 3. November 2008. Knapp 2 Monate vor Jules Aufschlag.
Mobbing, Mitschüler, Missbrauch
Es ist in Hinblick auf Jule und Helena nicht erstaunlich, dass immer wieder Schülerinnen und andere junge Frauen auftauchen, die auf die ein oder andere Art behindert sind, gemobbt sowie zuhause oft gequält oder missbraucht werden.
Die erste Protagonistin ist die 17-jährige Kiko, deren Eltern auch easy die von Marie sein könnten, Vater Polizist, Mutter Ärztin. Sie hat zwei behinderte Schwestern, die auf den Rollstuhl angewiesen sind und wird von ihrem älteren Bruder sexuell belästigt, der neben ihr onaniert und verlangt, dass sie vor seinen Augen in die Dusche pinkelt. Später in der Storyline stellt sich heraus, dass er versteckte Kameras in den Zimmern seiner Schwestern installiert hat und die so entstandenen Filmchen im Internet vertickt
Schnarchnase ist in der 12. Klasse und wird von jedem veräppelt, sogar der einen Klassenkameradin, die im Rollstuhl sitzt. Ein Vorfall im Schwimmbad, bei dem die arme Schnarchnase von einem Mitschüler angepinkelt wird, darf auch nicht fehlen. Ihr wird angekreidet, dass sie nicht am örtlichen Rülpswettbewerb teilnehmen will und noch dazu unterstellt, dass sie ins Bett macht. Eine Lösung für ihre Probleme findet die Community nicht und so ist Schnarchnase schneller entschwunden, als sie aufgetaucht ist.
Crashy ist nicht Jules Unfallverursacherin, die 'Crash-Oma', sondern eine 24-jährige aus Regensburg. Sie sitzt im Rollstuhl, hatte eine schwierige Schulzeit - und noch nie eine Beziehung. Immerhin wurde sie bereits von einer Freundin in die wunderbare Welt der Masturbation eingeführt. Bei einem Kursus in einer Reha-Klinik hat sie sich nun in einen Rollifahrer verliebt, der 800km entfernt wohnt und fragt um Rat. Leider wird dieser Plot nicht aufgelöst, sondern Crashy echauffiert sich stattdessen über das, was einer Freundin von ihr in der Nähe von Hamburg passiert ist: Diese durfte nicht in die Kirche, weil sie im Rollstuhl sitzt. Ihr Foren-Dasein endet mit einer typischen Jule-Story (die sich in deren Blog mit 'Maria aus Portugal' wiederholt) über eine Freundin im Heim, die dort nur gemobbt wird.
Nee macht gerade ihr Abi, ist mit ihrem Prinzesschenleben unzufrieden und ausnahmsweise nicht behindert. Zu früh gefreut! Der weitere Plot hat es in sich. Sie macht gerade ein mittelmäßiges Abi und möchte später mit behinderten Kindern arbeiten. Nun hat sie sich in einen Mitschüler verliebt, doch dieser entpuppt sich als Pretender. Wer nicht weiß, was das ist, wird in epischer Länge und Breite von Dunsti aufgeklärt: Der junge Mann ist nicht behindert, möchte aber freiwillig sein Leben im Rollstuhl verbringen und weiß ganz genau, wie man an falsche Dokumente oder Behindertenausweise dafür kommt. Nee gibt diese Tipps fachmännisch an die Community weiter, verschwindet dann aber einfach. Vielleicht in ein gemeinsames Leben im Rolli mit ihrem Love Interest.
Dunsti kommt später mit einem Beitrag über gefälschte Arzt-Rezepte daher, Jule erzählt im Blog haarklein, wie man Behinderten-Parkausweise fälscht.
manulu ist 17 und die Proto-Helena: Sie hat eine Cerebralparese, Diabetes und wird wie Helena 10 Jahre später nicht nur in der Schule gemobbt, sondern auch von der Mutter mit Brotmessern beworfen, vom Vater mit einem Kleiderbügel verprügelt. Gottseidank knüpft Forenbekanntschaft Kiko den Kontakt zu ihrem Polizisten-Vater, über den manulu aus diesem Elternhaus befreit wird und auch eine Meldesperre bekommt - wie Jule im Jahr 2012. Ende gut, alles gut: manulu darf in eine gesponsorte Wohnung ziehen, freundet sich mit einer gleichaltrigen Rollifahrerin an und Kiko trägt ab dann den Planet-Liebe-Heiligenschein.
Und dann gibt es noch das kecke Mädchen im Rollstuhl mit dem Nickname Chaoswesen, das sich später in Hexchen umbenennt...
📖 Lesenswert
Jule Stinkesocke: Das Tagebuch
Teil 1: 2009 - 2010
[Anzeige*] Die 16-jährige Jule kann fast ein Jahr nach ihrem schweren Unfall endlich das Krankenhaus verlassen und zieht mit Freunden vom Behindertensport in eine WG. Sie findet eine barrierefrei zugängliche Schule, steigt in Klasse 11 wieder ein und findet trotz Mobbing wieder Anschluss. Ihre Leidenschaft wird nun der Sport: Paratriathlon. Und sie hat ihren ersten richtigen Freund Jan, was sie wegen ihrer Behinderung als problematisch empfindet. Doch Jule findet immer Wege.
Jule Stinkesocke: Das Tagebuch
Teil 2: 2011 - 2012
[Anzeige*] Jule zieht mit ihren Freunden aus der WG in ein inklusives Projekt in einer ehemaligen Fabrik. Ihr Freund Markus entpuppt sich als Amelotatist, was sie nicht mit ihren Vorstellungen von einer Beziehung vereinbaren kann. Sie bekommt das Angebot, bereits nach Klasse 12 gemeinsam mit ihrer besten Freundin Marie ein Medizinstudium zu beginnen und auch hier meistert sie alle Hürden.
Real Or Fake?
Der Master of the Puppets, mutmaßlicher Autor all dieser schönen Geschichten, leidet nicht unbedingt an Fantasie. Einige Sockenpuppen kann man mit Leichtigkeit als real existierende Personen aus 'Jules Verein' identifizieren, die sich aber nach eigener Aussage nie bei Planet-Liebe angemeldet haben. Sie mussten offensichtlich nur als Vorlage für verschiedene Personas herhalten.
Hätte Jule nicht bereits 2 Halb-Schwestern, die Zwillinge Emma und Paula aus Bayern, von deren Existenz sie erst nach ihrem Unfall erfährt, hätte sich Chaoswesen/Hexchen unbedingt als Schwester qualifiziert. Oder als verschollener Drilling. Ihre Mutter Doris meldet sich als Erste im Forum an und beklagt sich über ihre 17-jährige Tochter: Diese hat eine angeborene Querschnittlähmung (Spina bifida), ist ungefähr 17, Schülerin, kommt aus Hamburg - und hat kein Vertrauen zu ihrer Mutter, sondern lügt angeblich wie gedruckt. Für sämtliche gutgemeinten Ratschläge ist Doris so gar nicht zu haben, so dass sich schließlich auch Tochter Chaoswesen anmeldet und munter aus dem Nähkästchen plaudert. Ein Streitthema ist der wesentlich ältere Mann und Trainer aus ihrem Verein, mit dem sie anbandelt. (Jule so: Ältere Männer sind sowieso die Besten, die kann man einfach nicht von der Bettkante stoßen!)
Long story short: Das Chaoswesen hat die Nase voll von dem überbehütenden Muttertier und zieht in eine WG, ein Loft hoch über Hamburg, in dem ihr kostenlos ein Zimmer angeboten wird, woraufhin Doris einen fingierten Selbstmordversuch verübt und genau wie Jules Mutter in der Psychiatrie landet. Chaoswesen interessiert das so gar nicht, sie benennt sich in Hexchen um und wird in der Folge eines der beliebtesten Mitglieder von Planet-Liebe.
Erste Amtshandlung: Sie fragt nach einem geeigneten neuen Spielzeug. Ohne weitere Umschweife entscheidet sie sich für den im Juleversum allseits beliebten blauen Delfin-Vibrator, den sich vor ihr auch schon Kiko zugelegt hat. Sie ist Übungsleiterin für Rollstuhl-Schwimmen, möchte aber als nächstes wissen, ob es verboten ist, nachts schwimmen zu gehen. Sie pinkelt in der U-Bahn auf den Boden, obwohl sie normalerweise Pampers trägt, macht dann aber ihren Führerschein. Natürlich gratuliert Dunsti herzlich.
Hexchen möchte mit ihrer Sportgruppe in ein Musical, aber im Hamburger Operettenhaus gibt es nur 4 Rolli-Plätze. Jule möchte Jahre später auch mit ihrer Rollsportgruppe ins Musical und stellt genau dasselbe fest. Sie ist so empört, dass sie einen Brief an den Theaterbetreiber schreibt.
Schließlich lernt das ohne mütterliche Aufsicht sexuell erblühte Hexchen in der S-Bahn einen Fußgänger kennen, der fragt, ob er sie mal zu einem Kaffee einladen darf. Auch Jule trifft Jahre später zufällig den Fußgänger Markus, der unbedingt mit ihr Cappuccino trinken will. Beides läuft gut und so wird Hexchen freitagabends zum Essen eingeladen und Jule in ein italienisches Restaurant. Beide Fußgänger gestehen, dass sie sich auf den ersten Blick unsterblich verliebt haben. So weit, so unspannend. Doch dann entpuppen sich beide Fußgänger unabhängig voneinander als Amelos (von Amelotatismus - Zuneigung zu den unterschiedlichsten Formen von Behinderung). Sowie Hexchen als auch Jule trennen sich umgehend von ihrem Fußgänger.
Noch leichter als Doris und ihre Tochter ist Userin Suschie schon aufgrund ihrer behinderten Zwillingstöchter im Real Life zu identifizieren. Sie gab übrigens auf unsere Anfrage an, dass sie aber nie im Forum angemeldet war. Hatten wir uns noch gewundert, dass Dunsti munter Vereinsinterna durch die Gegend posaunt, so wird das umgehend getoppt.
Suschie kommt aus Hamburg, meldet sich am 30. Oktober 2008 an und hat ebenfalls Vereinsprobleme, wenn auch nur indirekt. Sie singt ein Loblied erster Güte auf einen Übungsleiter, der nur eine Stufe unter dem Heiland steht und ihren behinderten Zwillingen (Hirnschaden durch zu wenig Sauerstoff bei der Geburt) das Leben im Licht gezeigt hat. Seit ihre Zwillis diesen Übungsleiter kennengelernt haben, haben sie so einen enormen Schub bekommen, dass Suschie manchmal glaubt, dieser Mann könne magische Kräfte haben.
🎻 Sanftes Geigenspiel
Laut Suschie sitzt der wundervolle Übungsleiter selbst im Rollstuhl. Er hat studiert und ist arbeitslos, berichtet sie, lebt von Hartz 4. Er ist eine ehrliche Haut und hat beim Amt angegeben, dass er für einen Behindertensportverein jobbt und dort im Monat 130 Euro für 10 Stunden Sport und Schwimmen dazu verdient. Ein ganz bescheidener Mann, lebt sehr zurückgezogen, ist aber andererseits sehr beliebt, vor allem von den Kindern und Jugendlichen, denen er zeigt, wie sie mit ihrer Behinderung klar kommen können.
Suschie scheint selbst von ihrer Beschreibung bewegt, und dann zeigen ihr die Töchter manchmal Tagebuch-Einträge, die sie über IHN an ihrem PC schreiben. Das rührt die Mutter schon mal zu Tränen: "Lieber Gott, wenn ER irgendwann mal selbst Hilfe braucht und ich oder meine Schwester können ihm helfen, dann gib uns bitte sofort ein Zeichen. Egal was es ist und meinetwegen auch mitten in der Nacht." Zu seinem Geburtstag im Oktober haben sie ihm in stundenlanger Kleinarbeit Bilder gemalt und Karten geschrieben.
Der Anlass für Suschies Auftritt bei Planet-Liebe ist tieftraurig: Sie hat herausgefunden, dass dieser Jesus äh Übungsleiter vom Verein seit Sommer nicht mehr bezahlt wurde und ihm deswegen von seinen 345 Euro Hartz IV noch 100+ Euro abgezogen werden. Derzeit gibt es bei ihm nur Leitungswasser mit Käsebrot. Das kann so natürlich nicht angehen, deswegen schreibt sie wutschnaubend ihren ersten, ellenlangen Beitrag darüber. Was soll man sagen: Geholfen hat das vermutlich eher weniger, zumindest tauchten keine Vereins-Funktionäre im Forum auf, obwohl uns auch das an diesem Punkt nicht mehr gewundert hätte. Suschie hat damit auch fertig und kommt nie wieder. Wir gehen positiv davon aus, dass ER trotzdem nicht verhungert ist.
Eigentlich dachten wir, dass die Sockenpuppen-Ära Ende 2008 vorbei war, aber falsch gedacht.
Lasiki und Jamal könnten unterschiedlicher nicht sein, melden sich jedoch beide 2017, in Jules Blogpause, bei Planet-Liebe an.
Jamal ist ein älterer Flüchtling, sein "Flüchtlingsdeutsch" im Forum ist allerdings ziemlich, nun ja, unterhaltsam 😉 Er schwimmt im Verein und hat wenig überraschend auch einige Fragen zum Thema Schwimmen. Er wird vor allem von einem großen Problem geplagt: Seine 13-jährige Tochter will vor dem Schwimmen nicht duschen. In der Diskussion freundet er sich mit der 15-jährigen Lasiki an, die Leistungsschwimmen mit Landesbestzeiten betreibt und fragt sie öffentlich nach gebrauchten Kinderbadeanzügen in Gr. 164.
Lasiki ihrerseits hat gerade die Masturbation für sich entdeckt und fragt, wo sie dieser Beschäftigung tagsüber nachgehen kann. Abgesehen davon hat sie sich in ihren Schwimmtrainer verliebt, der geschmeidige 23 Jahre älter und unglaublich einfühlsam ist.
🎻 Leise Geigenmusik
Dieser Trainer ist so anders, so unverkrampft, geduldig, lustig, nicht nachtragend und immer auf Augenhöhe. Kurz gesagt: Fast so ein Heiland wie Suschies Übungsleiter 😉 Die Community redet auf sie ein wie ein krankes Kalb, damit Lasiki ihre Schwärmerei vergisst. Sie gibt sich geläutert und kommt stattdessen mit einem ganz ekelhaften, schmierigen Sportlehrer um die Ecke, der ihr gegenüber unangemessenes sexualisiertes Verhalten an den Tag legt. Leider wird dieser Plot nicht aufgelöst, da Lasiki im Forum gesperrt wird.
Und was ist eigentlich im Wasser des Vereins, dass alle naselang ein Mitglied bei Planet-Liebe auftaucht?!
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Auf dünnem Eis: Die Psychologie des Bösen
Lydia Benecke
[Anzeige*] Auf dünnem Eis befinden wir uns, wenn wir Mörder, brutale Vergewaltiger, Profikiller oder eiskalte Psychopathen als "böse" abstempeln und weit von uns schieben. Lydia Benecke rekonstruiert grausame Verbrechen, erzählt von echten Fällen aus ihrer eigenen Praxis und wirft die hoch spannende Frage auf: Wie viel davon steckt in jedem von uns?
Im Auftrag der Toten: Cold Cases – Ein Profiler ermittelt
Axel Petermann
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Mütter und ältere Männer
Gelegentlich tauchen Mütter auf, die zwar ganz offensichtlich Jule-Sockenpuppen sind, aber ziemlich unmotiviert eine riesige Story erzählen.
So zum Beispiel Nati, die sich Anfang 2007 wie eine zweite Doris über ihre 15-jährige Tochter im Forum beschwert: Sie verheimliche ihr Sachen, lüge, sei faul und ein Ferkel. Nati lugt nämlich gern durch das Schlüsselloch und muss feststellen, dass ihre Tochter ausgiebig popelt und mit der Wärmflasche masturbiert. Ausserdem geht sie heimlich zu McDonalds, pupst in der Badewanne und kackt in die Dusche.
Das Hauptproblem ist für Nati jedoch die beste Freundin des Mädchens bzw. deren Mutter. Es folgen einige Lieblingsmotive der Sockenpuppen: Besagte Mutter ist Ärztin, ihr Mann Politiker, großes Haus, Pool im Garten, fünf Kinder, Hund, großes Auto. Die beiden Mädchen waren beim Reiten, haben im Stall eine Wasserschlacht gemacht und so kommt die Tochter ohne Reitklamotten nach Hause. (Genau diese Story wird später bei Helena wieder aufgewärmt.) Die Tochter lügt über den Verbleib der Reitsachen, behauptet, sie habe sie nur vergessen und wird von der Mutter ihrer besten Freundin gedeckt. Was dabei die große Tragik ist, bleibt wohl für immer Natis Geheimnis. Ausser viel Stänkerei gibt der Plot absolut nichts her.
Poly-Esther aus Hamburg hat eine erwachsene Tochter mit Spina bifida, ihre jüngste Tochter ist 7 und und kommt nach einem Zusammenstoß mit einem Fahrradfahrer mit dem RTW ins Krankenhaus. Eine Ärztin mit 5 Kindern (hört, hört) rettet ihr in einem packenden Krimi das Leben. Darüber lässt sich Poly-Esther in einem ellenlangen Beitrag aus und beschreibt minutiös alle Vorgänge im RTW und im Krankenhaus. Nicht mal die Frisur der Notärztin entgeht ihr. Immerhin, die Community ist gerührt.
BTW: Auch Kikos Mutter ist Ärztin, fährt im RTW mit und hat 5 Kinder. CAY hat ebenfalls 5 Kinder und einen Pool im Garten. Die Mutter von Marie, Jules späterer Freundin, hat zwar nur 1 Tochter, ist aber Ärztin und hat, wer hätte es vermutet, einen Pool im Garten.
Wa-rum?
Wenn man so dermaßen geil auf Ärztinnen und RTW ist, warum studiert man dann nicht einfach selbst Medizin?
Warum legt man sich kein Haus mit Pool im Garten zu? Meinetwegen auch eine Wohnung mit Planschbecken?
Und was genau ist das Highlight an 5 Kindern, so dass es ein immer wiederkehrendes Motiv ist?
Von Müttern zu Männern: Re:Member hat die merkwürdigste Storyline gezogen: Er berichtet von der "arge best" - "arbeitsgemeinschaft behinderter studenten". Die kennt bis heute wohl niemand ausser ihm, es handelt sich konkret um behinderte Studentinnen aller Fachrichtungen, die sich zur Finanzierung des Studiums prostituieren und auch quer durch Deutschland reisen, wenn es sein muss. Marktlücke! Man kann "fast alles bekommen, von amputiert bis blind, von Spastiker bis künstlicher Darmausgang. auch leichtere Sachen wie fehlender Zeh oder Hörgerät sind erhältlich".
(Persönliche Anmerkung: ALTA WAS BIN ICH LESEND! Bleibt einem bei Planet-Liebe denn nichts erspart...)
Der fleissige Freier Re:Member hat nun von der Polizei eine Ladung bekommen wegen "sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen", genauer §179 StGB, und beklagt sich über die spießige Gesellschaft. Wer auch immer ihn angezeigt haben soll - die "arge best" bleibt danach genauso geheim wie zuvor. Interessanterweise schaltet sich in die Diskussion der User von Bödefeld, ein älterer Mann aus Hamburg ein, der sofort fachmännische Tipps am Start hat: Klappe halten, Anwalt suchen, auf keinen Fall zur Polizei!
Roggenbrötchen versucht sich 2008 mit dem Kind seiner Partnerin, einem zwölfjährigen behinderten Mädchen, anzufreunden und gibt ihm 50€ zum Geburtstag für den Kauf von Satin-Bettwäsche. Die Mutter ist jedoch wenig amused, als sie ihre Tochter nackt in besagter Bettwäsche vorfindet und diese auch noch ungestört sein will. Sie wirft ihm vor, der sexuellen Entwicklung ihrer Tochter 'Vortrieb' zu leisten. Roggenbrötchen findet jedoch gechillt, dass das Kind gerne masturbieren darf, wenn es will. Auch in Satin. Ein Mann, so richtig nach Jules Geschmack!
Ihn plagt neben schlechtem Benehmen in Sportvereinen noch ein ganz anderes Problem: Seine 84-jährige Mutter ist leicht inkontinent und so befragt er das Forum wegen geeigneter Windeln. Glücklicherweise ist Dunsti nebst Hexchen in üblicher Ausführlichkeit am Start und empfiehlt neben wiederverwendbaren Baumwoll-Unterhosen mit Saugkern auch Steck- und Sauglaken. Roggenbrötchen entschwindet glücklich und ward nie wieder auf Planet-Liebe gesehen. Möge er fortan auf einem Satin-Stecklaken gebettet gewesen sein.
Was auffällt: Urplötzlich packt Roggenbrötchen eine total absurde Side-Story aus und will dringend mit Dunsti über Fentanyl sprechen. Wer kannte das 2008? Und warum passt Jules Twitter-Bio "Verteilt Drogen an Kinder" so gut dazu?
Gockel ist ein älterer Mann aus Uhlenbusch und kümmert sich um die 12-jährige Tochter der alleinerziehenden Nachbarin, die bei McDonalds viel zu wenig verdient und nicht mal genug Geld für einen Kindergeburtstag hat. Hier springt Gockel ein und verspricht der Tochter, an ihrem Ehrentag mit ihr und den Freund:innen in ein Spaßbad zu gehen. Das Mädchen freut sich sehr, aber Schockschwerenot: Eine Mitschülerin sitzt im Rollstuhl und Gockel fragt das Forum, ob behinderte Kinder eigentlich ins Wasser dürfen? Eventuell hat er zu oft 'Gremlins' geguckt - in dem Film wird aus einem putzigen Etwas plötzlich ein grauenhaftes Monster, so bald es nass wird.
Glücklicherweise kann ihn Dunsti in dieser Hinsicht beruhigen und so kann der Schwimmbad-Geburtstag stattfinden. Das Mädchen im Rollstuhl entpuppt sich nicht nur als Schwimmerin im Landes-Nachwuchskader, sondern auch als absolute Partygranate. Gockel scheint in seiner Begeisterung für die Kleine am Ende des Tages fast vergessen zu haben, wer eigentlich das Geburtstagskind ist und sinniert tief bewegt über "so viel Lebensfreude, so viel Offenherzigkeit, so viel Humor und so viel positive Energie", die das behinderte Mädchen ausgestrahlt hat. Da er sich nach diesem Beitrag nicht mehr meldet, ist davon auszugehen, dass er umgezogen ist und nun als guter Nachbar das Mädchen im Rolli betreut. Schade eigentlich, dass er Helena nie kennengelernt hat.

Spülmaschine sieht in einer Gesundheitssendung im NDR einen Beitrag über junge Menschen, die aufgrund einer Erkrankung inkontinent sind und sich kathetern oder auch mal nachts ins Bett machen. Er bewundert die Vorsitzende eines Selbsthilfevereins für ihren offenen Umgang damit und startet eine Umfrage, ob diese Erkrankung eine Partnerschaft verhindern könne?
In einem anderen Thread packt er eine ewig lange Storyline über einen Sportwettlkampf seiner jüngeren Schwester aus, bei dem er eine Frau kennenlernt, die ihn zu einem Waldspaziergang einlädt und sich als Forstbeamtin ausgibt. Sie erzählt ihm, dass sie oft in den Wald geht, um dort 'wilde Sau' zu spielen - das beinhaltet ungeniert in der Nase zu popeln, laut zu pupsen, nach dem Schluck Wasser laut zu rülpsen, laut zu gähnen, ohne die Hand vor den Mund halten zu müssen und sich am Hintern zu kratzen. Später klärt ihn seine Schwester auf, dass die Frau nicht beim Forstamt angestellt ist, sondern eine bekannte Moderatorin ist.
Er beendet seine Aktivität bei Planet-Liebe mit einer Strand-Umfrage, die jede Menge Optionen zu aufblasbaren Gummitieren, Badekleidung, Sex und natürlich Pipi ins Meer beinhaltet. Man kann ihr und auch anderen Beiträgen entnehmen, dass er aus Hamburg kommt und Zeit an der Ostsee verbringt.
Master of the Puppets
Wieviele Sockenpuppen haben wir bei Planet-Liebe entdeckt - 20? Oder eher 30? Wir stellten plötzlich fest, dass nicht nur ein Schreiber namens Schlurfrakete den Wikipedia-Eintrag von Jule Stinkesocke erstellt hat, sondern auch ein User namens Schlurfrakete im Forum aktiv war, der sich am 29. Januar 2008 angemeldet hat. Nennen wir ihn deswegen 'Master of the Puppets' - von Wikipedia zu Planet-Liebe. Vielleicht aber auch nur Zufall?
„Sind Schwänze so unberechenbar wie Atomkraftwerke?" - jedes Mal, wenn ein Thread im Forum so einen poetischen Clickbait-Titel trägt, herrscht Jule-Puppet-Alarm. Übungsleiter Schlurfrakete steigt mit den Atomkraftwerken in eine Story über Missbrauchsvorwürfe gegen ihn ein: Eine andere Übungsleiterin hat einfach so zwei Kinder vor ihm gewarnt. Nur weil er ein Mann ist, denn selbstverständlich würde er niemals übergriffig werden.
Dunsti ist empört - sie ist ja selbst Übungsleiterin, unter anderem in einer Kinder- und Jugendgruppe, und hat zudem auch noch - angeblich vor einiger Zeit - genau diesen Fall gehabt, nämlich dass ein Übungsleiter aus dem Verein geworfen wurde, weil er eine Frau vergewaltigt haben soll. "Das Ermittlungsverfahren gegen ihn ist bislang noch nicht abgeschlossen und die betroffene Frau ist keine der ihm ehemals anvertrauten Mädchen. Aber dennoch soll es in seiner Gruppe sexuelle Übergriffe (intime Gespräche, aufdringlichen Körperkontakt, Busengrapscherei, versuchtes Küssen) gegeben haben, die allesamt von den betroffenen Mädchen nicht weitergegeben wurden (bis auf den letzten Fall, der das Verfahren ins Rollen gebracht hat)".
Alles nur erfunden? Nein! Das Abendblatt berichtet einige Tage nach Dunstis Beitrag von eben diesem Vorfall:
Der FSC Kaltenkirchen kommt wohl nicht zur Ruhe, denn es steht neuer Ärger ins Haus. Die Polizei ermittelt gegen einen Übungsleiter des Vereins. Es geht um den Vorwurf der versuchten Vergewaltigung einer Minderjährigen.
- Abendblatt
Fragt sich: Woher wusste das Dunsti Tage zuvor? Ja, bis Hamburg hatte sich der Vorfall aus Kaltenkirchen in Sportlerkreisen sicher herumgesprochen. Aber auch in Augsburg?
Jule wärmt die Geschichte mit den Missbrauchsvorwürfen einfach 4 Jahre später in ihrem Blog wieder auf ('Kontroverse Geschichten', Platz 4).
Die Schlurfrakete, von Dunsti getröstet, legt umgehend mit Fragen los, die man leicht als späteres Jule-Motiv erkennen kann.
Gibt es Klamotten, unter denen ihr grundsätzlich keine Unterwäsche tragt? will er wissen, zum Beispiel: Schlafkleidung, Sportkleidung, Arbeitskleidung, ... und falls ja: Welche und warum? Was macht ihr, wenn ihr ins Meer geht? Gibt es da auch "Spiele", nehmt ihr eine Luftmatratze, eine Unterwasserkamera oder ein aufblasbares Gummitier mit hinein, habt ihr vielleicht sogar Sex im Wasser? Was tragt ihr so an Klamotten im Wasser? Shorts? Badehose? Oben ohne unten mit? Umgekehrt? Weißes T-Shirt?
Jule verbringt in ihren Blogbeiträgen so viel Zeit auf Luftmatratzen und aufblasbaren Schwimmtieren, dass man schon froh ist, wenn sie mal festen Boden unter den Füßen bzw. Wheels hat. Unterwäsche? Wer braucht das, wenn er Pampers trägt? Unten ohne nachts im Rennrollstuhl masturbieren? Kommt schon vor. Sex im Wasser? Immer gerne.
Schlurfrakete war bei Planet-Liebe zwar nicht lange aktiv, verabschiedete sich aber mit einer ganz speziellen Frage. Er will wissen, ob er im Krankenhaus bei der Darmspiegelung einer guten Freundin dabei sein darf. Für jede Frau, die eine Koloskopie hat, muss es selbstverständlich ein Träumchen sein, wenn ein Fäkal-Fetischist ihre Hand hält. Wundert es noch, dass Jule in ihrer Ausbildung oft und gerne in epischer Breite über Darmspiegelungen schreibt?
Letztendlich macht Schlurfrakete noch die Kiko und hat einen goßen Einsatz: Er benachrichtigt die Polizei, weil eine Userin bedenkliche Beiträge verfasst. Diese wird daraufhin von der Polizei persönlich aufgesucht. "In einem sehr intensiven Gespräch zwischen dem Polizisten, der Mutter und einer Freundin konnten die aktuell sehr belastenden Lebensumstände eruiert und benannt werden. Die Polizei hat den Kontakt zu einem Sozialarbeiter vermitteln können, der nun in den folgenden Wochen und Monaten mit Meriva zusammen versuchen wird, sein zukünftiges Leben an realistischen Perspektiven neu auszurichten und therapeutische Hilfe für vergangene schwere Zeiten zu organisieren." Er bekommt daraufhin von Kiko den Foren-Heiligenschein überreicht.
Ein neues Kapitel
Vermutich könnten wir noch Ewigkeiten so weitermachen. Die Recherche war teilweise durchaus unterhaltsam, aber irgendwann wurde es doch sehr anstrengend, dass vor 2009 ständig ein neuer User um die Ecke kam, der dringend über seinen PipiKackaPups-Fetisch oder Sex mit Behinderten oder die Entdeckung von Delfinen sprechen wollte.
Es stellt sich die Frage: Wurde Planet-Liebe eigentlich nur für eine einzige Person gegründet, die sich dann mit sich selbst in Form von Sockenpuppen unterhielt? (Scherz!) Oder ist es ein großer Zufall, dass diese Themen zwischen 2005 und 2008 eine so große Rolle spielten? Danach ward nämlich keiner dieser User jemals wieder gesehen.
Kling, Glöckchen... an Heiligabend 2008 meldet sich eine Userin namens Stinkesocke bei Planet-Liebe an. Sie liegt im Krankenhaus und hofft, ein paar nette Leute zu finden, da sie ganz alleine ist. Und einfach so wurde ein neues, langes Kapitel aufgeschlagen. Die Zeit im Forum war vorbei.
Hey - kennst du schon unsere 4-teilige Doku zum bekanntesten Realfake auf Social Media - Jule Stinkesocke?
Jetzt in der ZDF Mediathek online streamen.
© Alle Rechte liegen bei Piri Robinson.
Pressekontakt: presse@imperialcrimes.de
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